Arbeit und Demografie in DNEWS24
Die Deutschen sind mit ihrer Lebenssituation immer unzufriedener
In Deutschland sehen weniger als die Hälfte der Arbeitnehmenden optimistisch in ihre Zukunft. Die hohe Unzufriedenheit folgt laut einer aktuellen Gallup-Studie einem europaweiten Trend.
Bei den deutschen Beschäftigten ist die Stimmung eingebrochen: Nur noch 45 Prozent fühlen sich zufrieden und schauen zuversichtlich in die Zukunft, ein Minus von acht Prozentpunkten gegenüber dem Ergebnis des Vorjahres. Das Stresslevel hat sich zwar leicht erholt, liegt aber mit 41 Prozent deutlich über dem europäischen Durchschnitt (37 %). Das zeigt der neue Gallup-Bericht „State of the Global Workplace 2024″, für den 128.278 Arbeitnehmende in 145 Ländern (38 in Europa) unter anderem zu den Themen Arbeitsmarkt, emotionale Mitarbeiterbindung, Stress, Wut oder der Bewertung ihres Lebens befragt wurden.
Arbeitnehmende in Deutschland sind zunehmend weniger zufrieden mit ihrem Leben. Im europäischen Vergleich landet Deutschland mit 45 Prozent auf dem 20. Platz. Mit dieser negativen Entwicklung steht Deutschland jedoch nicht allein da: In 17 von 38 europäischen Staaten fällt die Beurteilung des eigenen Lebens kritischer aus als im Vorjahr, aber in keinem anderen europäischen Land – abgesehen von Irland (wie Deutschland ebenfalls – 8 Prozentpunkte) – ist der Wert so stark gesunken. Bei der aus zwei Teilen bestehenden Frage zur Einschätzung der eigenen Lebenssituation geht es nicht nur um den aktuellen Zustand, sondern auch darum, wie die Befragten die Entwicklung in fünf Jahren einschätzen. Dabei zeigt sich: Zwar sind Beschäftigte in Europa eher zufrieden und zuversichtlich als Arbeitnehmende im Rest der Welt (47 % vs. 34 %), die DACH-Region liegt dabei jedoch mit 44 Prozent unter dem europäischen Schnitt. Denn auch in Österreich (48 %; – 6 Prozentpunkte) und der Schweiz (54 %; – 5 Prozentpunkte) hat der Anteil derjenigen abgenommen, die zufrieden und zuversichtlich sind. Innerhalb der G7 hinkt Deutschland deutlich hinter den Spitzenreitern Kanada (59 %) und USA (53 %) her, liegt aber weit vor Japan (29 %). Das Vereinigte Königreich kommt auf 48 Prozent, Frankreich und Italien auf jeweils 41 Prozent. Die Top 5 in Europa sind, wie im Vorjahr, Finnland (83 %), Dänemark (77 %), Island (76 %), die Niederlande (71 %) und Schweden (70 %).
Stresslevel bleibt hoch
Das Stresslevel in Deutschland hat sich im Vergleich zum Vorjahr zwar leicht erholt (- 1 Prozentpunkt), bewegt sich aber im europäischen Vergleich mit 41 Prozent weiterhin im vorderen Drittel. Damit liegen die deutschen Beschäftigten auch klar vor ihren Nachbarn aus Österreich und der Schweiz: Hier klagt jeweils nur rund einer von drei Beschäftigten (Österreich: 35 %, – 1 Punkt; Schweiz: 30 %, – 5 Punkte) über Stress.
„Die Kombination aus gesunkener Lebenszufriedenheit und immer noch überdurchschnittlich hohem Stress kann darauf hindeuten, dass die Befragten zunehmend das Gefühl haben, viele der Faktoren, die ihr Leben bestimmen, nicht selbst beeinflussen zu können. Es herrscht der Eindruck vor, dass gerade Einiges unrund läuft. Zum einen belastet der Arbeitskräftemangel in vielen Branchen diejenigen Arbeitnehmenden, die ihn kompensieren müssen. Darüber hinaus erwecken die aktuellen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Diskussionen oft den Eindruck, als käme Deutschland aus dem Krisenmodus gar nicht mehr heraus. Die Sorge um den Abstieg des Landes ist allgegenwärtig, die Wettbewerbsfähigkeit schwindet, und beim Wachstum ist Deutschland Schlusslicht in Europa. Das drückt nicht nur auf die derzeitige Stimmung, sondern wirkt sich auch auf die Zuversicht in die Zukunft aus“, sagt Marco Nink, Director of Research & Analytics EMEA bei Gallup. „Die Arbeitnehmenden hierzulande bewerten ihren Lebensstandard unverändert positiv, aber diese Ergebnisse sind kein Jammern auf hohem Niveau, sondern ein weiterer Risikofaktor auf einem sowieso schon angeschlagenen Arbeitsmarkt. Unternehmen müssen genau hinschauen, wo es hier hakt, und gezielt gegensteuern.“
Psychische Gesundheit zunehmend in Gefahr
Wie bisher unveröffentlichte Daten aus dem Gallup Engagement Index Deutschland vom März 2024 zeigen, haben sich auch andere Faktoren, die Wohlergehen und (psychische) Gesundheit beeinflussen, negativ entwickelt. Dazu gehört die Burn-out-Gefahr, die bereits 2020 deutlich angestiegen ist und sich seitdem auf unverändert hohem Niveau bewegt. Lag sie vor Beginn der Corona-Pandemie noch bei 26 Prozent (2018 und 2019), geben derzeit 37 Prozent der Arbeitnehmenden in Deutschland an, dass sie in den vergangenen 30 Tagen das Gefühl hatten, aufgrund von Arbeitsstress innerlich ausgebrannt zu sein. Auch die Work-Life-Balance wird von ihnen zunehmend kritischer wahrgenommen. Während 2021 noch 42 Prozent der Befragten sagten, ihre Arbeit erlaube es ihnen, ausreichend Zeit mit der Familie und Freunden zu verbringen, liegt die Zustimmung jetzt bei 36 Prozent. Immer mehr Beschäftigte geben darüber hinaus an, dass ihnen das Entspannen im Feierabend zunehmend schwerer fällt. Nur jeder Vierte (28 %) stimmt der Aussage „Es fällt mir leicht, in meiner Freizeit von meiner Arbeit abzuschalten“ voll und ganz zu (2021: 36 %) – oft ein Anzeichen dafür, dass der Job zur Belastung geworden ist. Von den Personen, die davon berichten, dass sie nicht abschalten können, fühlten sich 25 Prozent immer oder sehr häufig bei der Arbeit ausgebrannt (Personen, die abschalten können: 9 %). Die Daten zeigen, dass diejienigen, die ihren Job in der Freizeit nicht hinter sich lassen können, 27 Prozent mehr Fehlzeit aufweisen als die, deren Kopf nach Arbeitsende frei ist. Und das verschlimmert das Problem, denn je höher die Ausfallquote, desto höher die Belastung für die verbleibenden Beschäftigten durch Mehrarbeit. Eine von Gallup durchgeführte Meta-Analyse (2024)* zeigt: Fehlzeiten lassen sich durch gute Führung um bis zu 78 Prozent senken – so können Unternehmen das eigene Arbeitskräftepotenzial besser ausschöpfen und den Arbeitskräftemangel abmildern.
Gute Führung als Prophylaxe gegen negative Emotionen
Positiv erlebte Führung, die in hoher emotionaler Bindung resultiert, hat auch einen unmittelbaren Einfluss darauf, wie Arbeitnehmende ihr Leben wahrnehmen und bewerten – schließlich verbringen Beschäftigte einen Großteil ihrer täglichen Wachzeit mit Arbeit. Die Zahlen für Europa zeigen, dass Arbeitnehmende ohne emotionale Bindung deutlich weniger zufrieden und zuversichtlich sind als Beschäftigte mit einer hohen emotionalen Bindung (34 % vs. 58 %). Auch berichten sie weit häufiger davon, dass sie am Tag vor der Befragung negative Gefühle wie Stress, Wut, Sorge, Traurigkeit und Einsamkeit und darüber hinaus auch weniger Freude empfunden haben.
„Unter Stress sind Beschäftigte häufiger gereizt und dünnhäutig, was auch in Wut münden kann“, sagt Marco Nink. Ein Viertel derjenigen Befragten in DACH, die Stress erlebt haben, haben darüber hinaus ebenfalls Wut empfunden. Konkret heißt das für Deutschland: 4,4 Mio. Arbeitnehmende waren am Tag vor der Befragung aufgrund von Stress wütend. Das liegt in vielen Fällen daran, dass starke Belastung von Führungskräften nicht wahrgenommen wird oder sie nichts tun, um sie abzufedern. Wird für die größten Stressfaktoren wie Zeitdruck, mangelnde Unterstützung, fehlende Information, ständige Arbeitsunterbrechungen oder Überforderung durch zu viele Aufgaben keine dauerhafte Lösung gefunden, schlägt der Stress oft in Wut um. „Beschäftigte fühlen sich dann nicht gesehen und unfair behandelt oder vernachlässigt und benachteiligt“, so Nink weiter. „Wut wirkt sich allerdings nicht nur auf die Unternehmenskultur aus, sondern kann auch disruptiv für die Arbeitsabläufe sein. Das resultiert in vielen Fällen in geringerer Produktivität, höheren Fehlzeiten und im schlimmsten Fall häufigeren Arbeitsunfällen. Gute Führung, die in hoher emotionaler Bindung resultiert, kann eine wirkungsvolle Prophylaxe gegen Stress, Burn-out und den damit verbundenen Folgen wie Fehlzeiten sein.“
Europa hat Nachholbedarf in Sachen emotionaler Bindung
Gerade daran aber hapert es in Europa. Denn es weist von allen zehn Weltregionen den niedrigsten Grad an emotionaler Mitarbeiterbindung auf (hohe emotionale Bindung: 13 % vs. 23 % global). Die DACH-Region (14 %) unterscheidet sich dabei nicht wesentlich von Europa. Dabei liegt Deutschland (15 %) vor Österreich (10 %) und der Schweiz (9 %). Unter den G7-Ländern steht Deutschland auf Platz 3 hinter den USA (33 %) und Kanada (21 %). Das Vereinigte Königreich (10 %), Italien (8 %) und Frankreich (7 %) liegen unter dem Europa-Schnitt, Japan ist mit 6 Prozent das Schlusslicht.
„Überall auf der Welt wollen Arbeitnehmende als Menschen und nicht nur als Ressource gesehen werden. Wenn eine Führungskraft die emotionalen Bedürfnisse bei der Arbeit erfüllt, etwa indem sie den Teammitgliedern zuhört und sie einbindet, für geleistete Arbeit Wertschätzung zeigt oder sie in ihrer Entwicklung fördert, entsteht hohe emotionale Bindung“, sagt Nink. „Die niedrigen Werte in Europa spiegeln weniger die kulturellen Unterschiede wider als die unterschiedliche Qualität der Führung. Auch in Deutschland gibt es Unternehmen, bei denen über 60 Prozent der Mitarbeitenden emotional hoch gebunden sind. Diese Unternehmen treiben das Thema Führungsqualität allerdings aktiv voran und sorgen so dafür, dass sie ihre Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit steigern – etwa durch weniger Fehlzeit, geringere Fluktuation in einem hart umkämpften Arbeitsmarkt, höhere Qualität und größere Kundenzufriedenheit, die zu Folgegeschäft führt.“
Über den Gallup State of the Global Workplace 2024
Für den Bericht „Gallup State of the Global Workplace 2024″ wurden in 145 Ländern insgesamt 128.278 Beschäftigte befragt, wovon 16.163 Interviews in Europa geführt wurden (38 Länder). Die Interviews wurden telefonisch oder in Person (mündlich) zwischen April 2023 und März 2024 durchgeführt. Die Auswahl der Befragten erfolgte nach einem Zufallsprinzip. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft im jeweiligen Land.
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