Der Kommentar am Sonntag in DNEWS24.

Die Digitalisierung in Deutschland ist doof. Gedankenmacher in DNEWS24

Laut angetönt von Karl Lauterbach entpuppt sich das E-Rezept als schlechteres Fax. Hoffentlich lacht sich niemand krank. Ein Erfahrungsbericht.

Neulich zur Routine-Untersuchung beim Hausarzt meines Vertrauens. Da ich neu in der Stadt und neu als Patient in der Praxis bin, muss ich erst meine Erfahrungen machen. Und das als Fazit vorneweg: es geht gleich gut los!

Der Reihe nach. Mein Tagesablauf ist ziemlich durchgeplant. Als ich – 5 Minuten zu spät, weil mein Bus (was selten vorkommt) Verspätung hatte – trifft mich fast der Schlag. Die Praxis, die über viele Räume verfügt, ist rappelvoll. Kein Sitzplatz im Wartezimmer  oder in den Warte-Nischen. Ich benötige ein Rezept für drei Medikamente, die zur Neige gehen. „Ich kümmere mich.“ sagt die – trotz des wahrnehmbaren Stresses – freundliche Dame am Empfangsschalter.

Als meine Impfung und Routine-Untersuchung wenige Minuten später beendet sind, frage ich nach dem Rezept. „Ist auf Ihrer Karte.“ lautet der knappe Bescheid. „Und damit gehe ich zur Apotheke und die sehen das dann?“ frage ich. „JA!“ sagt die nicht mehr sooo freundliche Dame am Empfangsschalter. Ich meine im Hinausgehen ein Augenrollen zu bemerken.

Frohen Mutes schlendere ich durch einen kleinen Park zu meiner Apotheke. Toll, denke ich. In Deutschland geht ja doch etwas voran. Jetzt rasch zur Apotheke und dann ab in den Bus nach Hause.

Wenige Augenblicke später war ich in der Apotheke und in der Realität der Digitalisierung in Deutschland angekommen.

„Da ist nichts drauf!“, sagt die freundliche Dame am Apothekenschalter. Überrascht scheint sie nicht. Wann ich denn beim Arzt gewesen sei, fragt sie. Na eben, ich komme geradewegs von denen, die sind auf der anderen Seite des Parks. Sie nickt verständnisvoll und resigniert. Ich möge doch bitte in 20 Minuten nochmal wiederkommen, dann sei das Rezept bestimmt auf der Karte, es dauere halt manchmal etwas… Okay, also war es nix mit dem Bus zurück. Nun heißt es eine Stunde warten. Ich vertreibe mir die Zeit mit einem Anruf in der Arztpraxis und frage nach dem Rezept. Dort gibt s technische Probleme mit dem Upload, ich werde um Geduld gebeten. Wie lange ich Geduld aufbringen soll, frage ich und bekomme als Antwort: „20 Minuten.“. Aha…

Nach 20 Minuten bringt mir mein Gang in die Apotheke die Erkenntnis, dass der Upload sicher noch länger dauert. Ein erneuter Anruf in der Arztpraxis bestätigt diese Vermutung. Ich gehe resigniert Richtung Bus-Haltestelle und bin sicher, dass das heute mit dem Rezept nichts mehr wird. Diese Ahnung bestätigt sich, als ein Anruf meiner Arztpraxis mir Gewissheit verschafft: Technische Probleme, wir schicken ein – ACHTUNG!!! – Fax in die Apotheke, wird mir mitgeteilt.

Als ich am nächsten Tag in der Apotheke anrufe und nach einem Fax frage, herrscht Ratlosigkeit am anderen Ende der langen Leitung. Fax? Eher nicht, Rezepte kommen auf die Karte. Ach so? Ich rufe meine Arztpraxis an, allerdings 15 Minuten nach dem Ende der Praxisöffnungszeiten Mittags um 12.00 Uhr, die mir der Anrufbeantworter geduldig herunterleiert. Jetzt will ich es wissen und gehe noch einmal in die Apotheke, in der Stadt bin ich ja eh. Dort treffe ich auf eine superfreundliche, jüngere ApothekenichhoffeFachfrauAngestellte die mir sagt, es sei kein Rezept da aber ein Fax, dass ich Medikamente holen würde. Das fehlende Rezept werde die Apotheke bei der ihr wohlbekannten Arztpraxis besorgen.

Ich bin froh und erschöpft. Die ganze Geschichte hat mich locker 90 Minuten meines Lebens gekostet. Ich komme mir wie ein Versuchstier vor, an dem Karl Lauterbach Digitalisierung in der Medizin ausprobiert. Die ohnehin durch viele Faktoren überlasteten Arztpraxen müssen offensichtlich ein Technikdesaster ausbaden, für das sie nichts können. Erkläre mir bitte jemand, warum die Länder, die das wollen, das E-Rezept hinbekommen aber Herr Wissing (Digitalminister) und Herr Lauterbach für Deutschland nicht. Es ist einfach nur doof.

Bild: DC-Studios, rawpixel freepic

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Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

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