Der Kommentar am Sonntag in DNEWS24.
Gedankenmacher: Der Hessen-Wumms
Die Grünen laufen ins Abseits – jetzt auch in Hessen. Welche Bedeutung hat das Koalitions-Aus in Wiesbaden für die Ampelregierung in Berlin?
Was war das denn? Ein ganz normaler Vorgang oder eine Zeitenwende?
Am Freitag erklärte der strahlende Sieger der Landtagswahl in Hessen, er wolle seinen Koalitions-Partner austauschen. Nicht mehr die Grünen sollen Boris Rhein von der CDU beim Regieren helfen, sondern die SPD von Nancy Faeser. Nichts deutete im Vorfeld auf diese Volte hin. Die schwarz-grüne Koalition regierte das Bundesland geräuschlos, weitgehend ideologiefrei und pragmatisch. Dabei galt die CDU von Alfred Dregger und Roland Koch einst als Bollwerk des Konservatismus. Die Grünen dagegen waren geprägt von Joschka Fischer und dem gewalttätigen Widerstand gegen die Startbahn West des Flughafens Frankfurt. Aber in den letzten 10 Jahren – erst unter Volker Bouffier, dann unter Boris Rhein – funktionierte die Regierungs-Arbeit reibungslos und galt als Modell für Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Und auch für den Bund, jedenfalls hätte das Angela Merkel gern gesehen.
Aus und vorbei.
Die Begründung von Boris Rhein klingt nach Sensation. Mit den Grünen sei eine gesteuerte Begrenzung der Migration nicht so möglich, wie mit der – eigentlich auch ziemlich linken – SPD in Hessen.
Hat die SPD in Hessen etwa verstanden?
Welche Bedeutung hat die Entscheidung in Wiesbaden für die Regierenden in der Hauptstadt? Zunächst gerät die extrem unbeliebte Regierung aus SPD, FDP und den Grünen noch stärker unter Druck. Mindestens Teile der FDP sehen für die Liberalen keine Zukunft in der Ampel und wollen raus aus der Koalition, lieber heute als morgen. Grüne und FDP blockieren sich bei wichtigen Gesetzen gegenseitig. Der SPD-Kanzler wirkt führungsschwach, was wohl auch an seiner zerstrittenen Partei liegt. Bei den Sozialdemokraten brodelt es. Das zeigt unter anderem der Streit zwischen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der Deutschland kriegstüchtig machen will und dafür öffentlich eine Absage des Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, einfährt.
Die Wahlbürger halten ihre Entscheidung vom Herbst 2021 mittlerweile für einen Fehler. Die Zeitenwende erweist sich als Mogelpackung, die Regierung tut offensichtlich nicht genug, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Innerhalb des Mitte-Links-Milieus ist es nicht möglich, eine eindeutige Verurteilung des Hamas-Terrors zu erreichen. Die Klimaschutz-Politik ist handwerklich und kommunikativ schlecht gemacht, zum Teil wirkungslos oder gar kontraproduktiv, auf jeden Fall aber für die Bürger unglaublich und unnötig teuer. Viele selbstgesteckte Ziele der Ampelregierung werden nie und nimmer in dieser Legislatur-Periode erreicht werden, siehe Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene, andere interessieren die meisten Bürger nicht, siehe Freigabe von Cannabis.
Der zwar führungsschwache, aber nicht dumme Bundeskanzler Olaf Scholz hat nun in der Union von Friedrich Merz und Markus Söder eine Koalitions-Alternative. Ob er wirklich klug ist, werden die nächsten Wochen zeigen. Denn wenn, muss er die Koalitions-Pferde jetzt wechseln. 2 Jahre vor der nächsten Bundestagswahl könnte er in einer neuen Regierung den Beweis antreten, dass er und seine SPD stark sind. Ergreift er diese Chance jetzt nicht, werden die Ampelparteien voraussichtlich bei den Wahlen 2024 (Europa und Landtagswahlen in Ostdeutschland) ein Desaster erleben, aus dem vor allem die AfD aber auch die CDU gestärkt hervorgehen wird. Im nächsten Jahr hätte die Union auch keine Motivation mehr unter einem Kanzler Scholz in die Regierung einzutreten. Sie könnte gelassen den Herbst 2025 abwarten und dann aus einer Position der Stärke heraus den nächsten Kanzler stellen.
Ob dessen Vorname dann Friedrich, Boris, Markus, Daniel oder Hendrik ist, weiß heute noch niemand. Wichtiger dürfte für die Bürger sein, wann endlich eine Bundesregierung amtiert, die das Land kraftvoll reformiert und den lähmenden Mehltau, der auf unserem Land lastet, wegpustet.
Der Autor
Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.
Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.
Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“
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